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29.03.2013 – Die Frage des Tages: Gab es die Päpstin Johanna?

Nein, aber die Legende hat einen wahren Kern. Es gibt seit dem späten 11. Jahrhundert vereinzelte Berichte über eine Frau namens Johanna, Jutta, Glancia, Agnes oder Gilberta, die im 9. Jahrhundert als Mann verkleidet zum Papst aufstieg. Die bekannte Ausformung (Frau folgt Geliebtem verkleidet ins Kloster, steigt in der Hierarchie 855 bis schließlich zum Papst auf, gebärt während der Prozession ein Kind, stirbt bei der Geburt 857) erscheint erstmals bei Martin von Troppau 1277, also im Todesjahr Johannes XXI. Die Schmählegende entstand im Zusammenhang mit dem Investiturstreit und wurde durch einen Zählfehler bei der Namenswahl des verstorbenen Papstes befeuert (Johannes XXI. ist eigentlich Johannes XX.), hier mag sicher auch die Erinnerung an die „Pornokratie“ der skrupellosen Senatrix Marozia (gest. vor 936) eingeflossen sein, die im späten 9. Jahrhundert zur römischen Herrscherin aufstieg: angeblich aus ihrem Ehebruch mit Papst Sergius III. ging ihr Sohn, der spätere Papst Johannes X. hervor. Besondere Verbreitung erlangte die Mär von der Päpstin während der Reformation. In den vatikanischen Quellen des 9. Jahrhunderts (besonders „liber pontificalis“) und zeitgenössischen Chroniken fehlen jedoch alle Hinweise auf die von Martin von Troppau berichteten Geschehnisse, so dass die Ereignisse wohl stark ausgeschmückt wurden und als reine Propaganda anzusehen sind.

Martin von Troppau, ➭MGH Scriptores in folio (SS) 22, Martini Oppaviensis Chronicon Pontificium et Imperatorum, 428.

➭ K. Herbers, Die Päpstin J., Historisches Jahrbuch 108, 1988, 174-194.

➭ H. Zimmermann, Das dunkle Jahrhundert. Graz 1971.

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