Begrüßung und Abschied spielten im Mittelalter eine wichtige Rolle. Dabei handelte es sich nicht nur um leere Höflichkeitsfloskeln, sondern um eine bewusste Wahrnehmung der begrüßten Person oder aber das Aussprechen eines guten Wunsches beim Abschied.
Verweigerte man einen Gruß, war das eine klare Feindseligkeit. Ein ausgesprochener Gruß dagegen war immer mit einem Friedensangebot gleichzusetzen. Obwohl die Gebärden vor allem beim Zeremoniell eine große Rolle spielten, wurzeln der uns geläufige Händeschlag oder das nun veraltete Hutabnehmen als Begrüßungsgesten in der Neuzeit. Im mittelalterlichen Alltag waren Umarmung oder Kuss geläufig, aber vor allem gesprochene Formeln, von denen viele aus der christlichen Tradition hervorgingen. So ist das heutige, in Süddeutschland verbreitete „Grüß Gott“ eine verkürzte Form des spätmittelalterlichen „Sei gegrüßt im Namen Gottes“. Das heute neutral klingende „Guten Tag“, „Guten Morgen“ und „Gute Nacht“ sind in den Wünschen „Gott gebe Dir einen guten Morgen (Tag, Nacht)“ zu suchen. Beim Abschied kannte man „Ade“ – „Adieu“ – von lat. „ad deum“ – in der Bedeutung „Gehe mit Gott“ – aus dem sich das deutsche „Tschüs“ („atschüs“/“adjüs“) entwickelte.
– Fuhrmann, Horst, Überall ist Mittelalter. Von der Gegenwart einer vergangenen Zeit. München 1998 (3. Aufl.), S. 36ff.;
– Schubert, Ernst, Alltag im Mittelalter. Natürliches Lebensumfeld und menschliches Miteinander. Darmstadt 2012 (2. Aufl.), S. 158ff.